vista obscura
vista obscura

Dr. Hildegard Heitger-Benke, Kunsthistorikerin

 

Die Malerin Janni Elisabeth Bruch hat das Thema Wasser derzeit zu einer ihrer wichtigsten Inspirationsquellen gemacht, und so ist in den letzten Jahren eine beachtliche Serie unterschiedlicher Fluss- und Meeresbilder entstanden. Stets von der unmittelbaren Umgebung ausgehend, suchte sie Orte auf, an denen sie dem Element Wasser in seinen unterschiedlichsten Erscheinungsformen begegnen konnte. In Bonn lebend faszinierte sie die Stimmungsvielfalt des Rheins, aber auch kleinere und größere Gewässer weckten ihre malerische Neugierde, wie z.B. die Teiche und Weiher in Bonn (Botanischer Garten, Poppelsdorfer Weiher), verschiedene Seen (Wiesensee im Westerwald oder Bodensee) und sogar die Unbändigkeit des Meeres, wie in den Arbeiten von der Insel Juist und dem Atlantik zu sehen ist.

 

Beim Betrachten der Bilder stellt man schnell fest, Wasser ist alles andere als nur Blau. Die Farbskala reicht von Grau über Grün und Blau bis hin zu tiefem Schwarz, die Stimmung umfasst ein breites Spektrum von ruhig und gleichförmig fließend bis hin zu wild, widerspenstig und zu hohen Gischtkronen aufschäumend. Harmonische Farbtonwerte finden sich ebenso wie kräftige Farbkontraste.

 

Janni E. Bruch will keine Flusslandschaften oder Seestücke im klassischen Sinne darstellen, sondern vielmehr das sich ständig verändernde Licht- und Farbenspiel auf dem Wasser allein aus der Farbmaterie heraus gestalten. Die Motive entstehen zwar nach fotografischen Vorlagen, ihre malerische Umsetzung erfolgt aber in einem spannungsgeladenen Wechselspiel von ineinanderfließenden Farbklängen und Linienverläufen, die zudem die Balance zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion reizvoll ausloten. Letzteres wird verstärkt durch den ausschnitthaften Charakter der Bildmotive, bei denen meist kein Flussufer oder Horizont auszumachen ist und eine eindeutige Zuordnung aufgehoben wird. Die Bilder werden zu Erlebnisräumen mit wechselndem Stimmungscharakter und der Betrachter ist fasziniert vom vielgestaltigen Farbenspiel.

 

Unter den Naturphänomenen beeindruckt das Wasser immer wieder durch sein verwandlungsfähiges Erscheinungsbild, das maßgeblich durch die sich ständig verändernden  Lichtverhältnisse beeinflusst wird. Die Wasser-Bilder nur auf ihre ‚retinalen’ Reize zu beschränken, würde ihrer Wirkung nicht gerecht. Vom stillen Gewässer bis hin zur unbändigen Kraft der Meereswogen versteht sie es, die unterschiedlichen Licht- und Farbsituationen, die sich durch die reflektierende Wasseroberfläche ergeben, allein aus der Farbe heraus beeindruckend in Szene zu setzen. Nicht nur die Augen, auch die anderen Sinne, wie das Schmecken und Hören werden aktiviert und wecken so beim Betrachter in vielerlei Hinsicht lebendige Erinnerungen.

 

Bonn, September 2013

 

 

 

Janni E. Bruch über ihren künstlerischen Ansatz

Bei meiner Malerei gehe ich von Licht- und Farbsituationen aus, die ich in meiner Umwelt erlebe, und setze sie als Farbinteraktionen auf der Fläche um. Durch diese Farbmaterialisation entsteht eine ambivalente und vielschichtige Beziehung von Gegenständlichkeit und Abstraktion. Viele Jahre stand das Thema Wasser für mich im Mittelpunkt; in letzter Zeit konzentriere ich mich vermehrt auf die feinen Farbnuancen bei nächtlichen Lichtverhältnissen. Dabei geht meine Malerei immer von meiner unmittelbaren Umgebung aus, ohne dass es um naturalistische Wiedergabe geht. Meine Erlebnismotive finde ich am Rhein, im Botanischen Garten oder am Poppelsdorfer Weiher, aber auch an der Nordsee. Kleinste Unterschiede in Farbtonwerten wechseln sich mit starken Kontrasten ab, ohne laute Effekte.

 

Bonn, September 2020

 

 

 

Dr. Heidrun Wirth, Kunstjournalistin

 

Einführung in die Ausstellung "Gras:krass"

von

Mathias Bruch

 

Kunstraum Bad Honnef, Sonntag 27.11.2022

*

Jeder Tag überschüttet uns. Täglich neue Hektik (in Europa und  inzwischen auf der  ganzen Welt), in einer von den Medien geprägten Zeit noch weit weit mehr als je zuvor in der Geschichte. Und wir müssen gewichten in dieser täglichen Flut von Neuem.  

Andererseits: Natürlich sollte es nach unserem Verständnis, dass jeder Mensch ein Künstler ist, so sein, dass der Tagesverlauf sich nicht in stumpfer Wiederholung erschöpft, sondern dass es etwas zu entdecken gibt.

Dabei werden wir vom Sehen bestimmt, und oftmals merken wir es gar nicht.

Der Fotograf Mathias Bruch ist einer, der uns das auf besondere Weise klar macht, und es erscheint für alle Kulturkritikerinnen zunächst widersprüchlich, er verwendet die Mittel der medialen, digitalen Welt, mit denen es ihm gelingt, ein neues Sehen zu beschwören.

Der 1952 in Stuttgart geborene und heute in Bonn lebende Künstler, dessen Pinsel die Maus am PC ist, wird zu einer Art Magier und Zauberer, der sich – und das ist das Außergewöhnliche - dem Anspruchslosen widmet, um Anspruchsvolles zu erschaffen.

So ist diese Ausstellung mit Fotografie entstanden. Man wagt kaum, sie eine fotografische Ausstellung zu nennen, vielleicht sollte sie noch eher „Ausstellung MIT Fotografie“ genannt werden.

Der Titel „Gras: krass“ aber ist absolut treffend, denn die kaum entschlüsselbaren Motive sind wirklich nichts anderes als  Gras oder Gestrüpp, wie es an allen Ecken und Enden und aus allen Ritzen hervorkommt, unscheinbar verteilt auf der ganzen Welt  und kaum wahrgenommen, und ganz bestimmt überlebensstärker als wir Menschen es sind. Das Gras, was ist es schon, eine Pflanze, die es einfach so gibt,  die immer gleich aussieht, doch Mathias Bruch macht ein Abenteuer daraus.

Wann nimmt man dieses Grün am Wegesrand überhaupt wahr? Vielleicht, wenn man mit dem Hund spazieren geht, wie es der Fotograf regelmäßig getan hat, als er seine Frau  in der Peripherie von Bonn zu Terminen begleitet hat, und auf sie warten musste. 

Allerdings geht der experimentierfreudige Künstler dann völlig neue Wege, wenn er dem simplen raw material mit den entsprechenden Programmen am PC begegnet.

Zu sehen sind hier in Bad Honnef acht größere und 7 kleinere Formate.

„Ich finde ein Medium muss Widerstand leisten“, sagt der Künstler, der in etwa die gleichen Arbeitsstunden wie ein malender Künstler investiert und dessen Bilder auch an Malerei denken lassen, bald an  Zeichnungen, ganz impressionistisch, bald an wilde  expressive Gestik. Lichte  Farbspuren sind in Auflösung begriffen, Konturen werden  aquarellartig  verwischt. Wir sehen verschiedenste Dichten und Transparenzen, verschiedene Rhythmen der Strichbündel und so sind wir plötzlich voll im Bereich der Kunst, in der Malerei, des Informellen, in der Spannung zwischen Ordnung und Chaos…. zwischen Zufall zwischen Überraschung und bewusster Steuerung. Wir nehmen wahr, dass es hier aber nicht um komponierte Staffeleibilder geht, sondern um Texturen, die keine Hierarchie in den Kompositionsformen mehr enthalten. Wir denken an Jackson Pollock, als die „Drippings“ zum „All-over-Bild“ wurden. Eine Vielzahl identischer oder ähnlicher Elemente wiederholt sich ohne größere Variationen.

 

Und doch können Sie das Gras dabei auch erkennen, wie es sich im Wind anschmiegt, wie es trotzig stehen bleibt, wie es in überbordender Fülle über- und auseinanderfällt, wie es sich Halm für Halm behauptet oder wie es zu einem einzigen dichten Schwarz verklumpt. Fast wie Gischt am Meer oder sich aufrecht präsentierend in feinsten filigranen Verläufen.

Sie können das alles aber auch ganz anders sehen, zum Beispiel , indem Sie fragen:  Wann der Bildgrund mitspricht, wann der sich auflöst oder verdichtet, wie die Farben auf uns wirken,  bis hin zu mancher Unheimlichkeit. 

 

Sie können diese gestischen und farblich so unterschiedlichen Arbeiten nicht „einer eigenen psychischen Handschrift“ zuordnen, denn jedes Blatt hat seine eigene Rhythmik. Dabei wird nie etwas überblendet, wie es in der Fotografie eher üblich ist.

Seine  ästhetischen Referenzen findet Mathias Bruch nicht nur bei den großen Fotografen wie Man Ray,  sondern auch bei Gerhard Richter, Cy Twombly oder David Hockney. Er hat dort die Bildspannung gelernt  und vielleicht auch manche Feinheiten, wie die Frage, wie viel darf man machen,  ohne zu übertreiben oder Chaos zu schaffen. So hat uns auch die kleine feine konzentrierte Max-Ernst-Ausstellung  im Bonner Kunstmuseum  mit dem passenden Untertitel „Die Natur als Erfindung“   etwas zu sagen, denn der Titel ließe sich hier glatt übertragen

Die Sinnsuche mag bei Max Ernst, dem Grenzen auslotenden Surrealisten, ähnlich gewesen sein:  Was ist eigentlich „echt“, was ist „authentisch“, wie es derzeit immer heißt. Man kann auch hier fragen nach einer Wahrheit im Bild, aber nach welcher? Fragen nach dem Wert der Illusion im Umfeld des Menschen,  ob der Mensch nicht eigentlich Illusionen braucht, um leben zu können? Fazit  ist aber: dass es ohne die menschliche Kreativität mit ihrer Fähigkeit Illusionen zu schaffen, keine Kultur, und vielleicht auch gar kein Leben gibt.   

Mathias Buch spricht von sich sehr bescheiden als Autodidakt, weil er erst nach der Beendigung seines Brotberufs in dieses kreative Studium eingestiegen ist, aber er kann kein Autodidakt sein, weil er  mit seiner Art von digitaler Kunst Neuland beschritten hat, wo hätte er es herhaben sollen? Er hat sogar ein eigenes Wort für seine Kunst gefunden, nämlich „semiabstrakt“ (also zur Hälfte abstrakt ) und das ist völlig nachvollziehbar und trifft zugleich einen neuen Zug unserer heutigen Kunst.

Unsere Kunst, die sich lange dem streng Konstruktiven (ausgehend von Mondrian) oder auch im Gegenteil, dem Auflösenden, Konturlosen gewidmet hat (Graubner mit seinen Farbkissen) besinnt sich nun wieder auf das real Gegenständliche, allerdings nicht in  Abbildungsmanier.

Und so gehört Mathias Bruch zu der Kategorie von Künstlern und Künstlerinnen, die die Wege in einem Dazwischen  oder Zwischenbereich ausloten. Und was mir aber dabei persönlich besonders gefällt: Es müssen keine außergewöhnlichen, keine prestigegeladenen Dinge sein, sondern es darf das schlichte Gras sein, nur eben ein bisschen krasser vorgeführt als sonst.

Und der Künstler meint ganz zuversichtlich: „Wenn Sie diese Bilder vom Gras sehen, werden sie das Gras vielleicht nie mehr so sehen wie bisher.“

 

Heidrun Wirth, November 2022

 

 

 

Druckversion | Sitemap
© vista obscura